Category Archives: Urteile

Haftung Foulspiel beim Fußball

 

Bei einem Fussballspiel setzte ein Spieler zur sog. “Blutgrätsche” an. Er grätschte einem Gegenspieler von hinten in die Beine und trat diesem dabei Schien- und Wadenbein durch. Der offene Splitterbruch musste bislang 14 mal operiert werden. Der Geschädigte klagte vor dem LG Hanau auf Schadensersatz, insbesondere Schmerzensgeld, und machte geltend, es habe sich um ein grobes Foulspiel gehandelt. Das LG Hanau hat die I. Instanz, in der es zunächst ein vom OLG Frankfurt/M. in II. Instanz bestätigtes Grundurteil zur Haftung dem Grunde nach erlassen hatte,  nunmehr mit einem Urteil zur Schadenshöhe abgeschlossen. Der Schädiger wurde, wie beantragt, zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von € 100.000,00 und zur Zahlung weiteren materiellen Schadensersatzes verurteilt. Überdies wurde die Feststellung der Ersatzpflicht künftigen Schadens aus dem zugrunde liegenden Ereignis getroffen. 

Zwischenzeitlich hat sich das OLG Frankfurt/M. mit der Berufung gegen das Schlussurteil des LG Hanau befasst. Der Senat hielt das vom LG Hanau im Schlussurteil zugesprochenen Schmerzensgeld in Höhe von € 100.000,00 für vertretbar, sah sich aber zur Wahrung einer einheitlichen Rechtssprechung zur Schmerzensgeldhöhe gehalten, den ausgeurteilten Betrag unter Aufrechterhaltung der erstinstanzlichen Urteils im Übrigen auf € 85.000,00 zu reduzieren.

Dem Verfasser ist kein vergleichbarer Fall in Deutschland bekannt, in dem ein so hohes Schmerzensgeld für eine ähnliche Verletzung ausgeurteilt wurde. Dies mag als Indiz dafür gelten, dass der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes vermehrt ein höheres Gewicht beigemessen wird.

Allerdings darf man die in Deutschland ausgeurteilten Beträge nicht mit den Summen vergleichen, die aus US-amerikanischen Verfahren bekannt geworden sind. Das US-Prozessrecht kennt im Gegensatz zum deutschen Prozessrecht keine Kostentragungspflicht des im Verfahren Unterlegenen. Jede Partei trägt ihre Kosten selbst. US-Anwälte rechnen auch nicht nach einer am Gegenstandswert des Verfahrens orientierten Gebührentabelle mit vorgegebenen Gebührentatbeständen ab, wie dies in Deutschland die Regel ist, sondern nach Stundenaufwand mit einem Satz, der $ 300,00 selten unterschreitet. Auch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars, das sich nicht selten mit 30% bis 50% der erstrittenen Schmerzensgeldzahlung bemisst, ist nicht unüblich. Schließlich gibt es in den USA kein mit unserem Verständnis vergleichbares Krankenversicherungssystem. so dass der Geschädigte oftmals für seine Heilbehandlungskosten einzustehen hat. Schließlich darf nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass viele der spektakulär anmutenden erstinstanzlichen Entscheidungen in der zweiten Instanz auf einen deutlich geringeren Schmerzensgeldbetrag gekürzt werden. Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass ein in den USA zugesprochenes Schmerzensgeld zu einem erheblichen Teil zur Finanzierung des Prozesses und zur Bezahlung der Behandlungskosten und sonstiger Schadenspositionen des Geschädigten Verwendung findet.

Das vollständige Schlussurteil des LG Hanau kann, wie auch das Grundurteil des LG Hanau und der Beschluss des OLG Frankfurt/M. zur Haftung dem Grunde nach, unter “Urteile” heruntergeladen werden.

 

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Haftung eines Steuerberaters

 

Das LG Limburg hat ein eine Steuerberatungsgesellschaft wegen Schlechterfüllung des Mandats zum Schadensersatz verurteilt. Eine Steuerberatungsgesellschaft war für eine in Deutschland ansässige pharmazeutisches Unternehmen tätig, das eine 100%-ige Tochtergesellschaft einer in den Niederlanden ansässigen Holding  ist. Eine weitere 100%-ige Tochtergesellschaft der Holding ist in Luxemburg ansässig. Die Steuerberatungsgesellschaft erledigte die Buchhaltung der deutschen Tochtergesellschaft und fertigte deren Jahresabschlüsse an. Sie hatte überdies Kenntnis von den jährlichen “Annual Reports”, die von der deutschen Tochtergesellschaft an die niederländische Muttergesellschaft geschrieben wurden. Im Rahmen ihrer steuerberaterlichen Tätigkeit verbuchte sie auch -korrekt!!- Lizenzzahlungen der deutschen Tochtergesellschaft an die luxemburgische Tochtergesellschaft im 7-stelligen Bereich, die für die Herstellung und den Vertrieb pharmazeutischer Erzeugnisse der luxemburgische Tochtergesellschaft in Deutschland zu zahlen waren.

Im Rahmen einer Außenprüfung des zuständigen Finanzamts bei der in Deutschland ansässige Firma stellte der Prüfer fest, dass keine Anmeldung über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige nach § 50 a EStG getätigt worden und demgemäß die fälligen ESt.-Zahlungen unterblieben waren. Auch lag kein Freistellungsantrag nach § 50 g EStG vor. Die Folge war neben der Nachzahlung der ESt. in Höhe eines 6-stelligen Betrags auch der Erlass einer sog. Verfallsanordnung und eines Verspätungszuschlags über zusammen ca. € 15.000,00, das die in Deutschland ansässige pharmazeutische Firma zu zahlen hatte. Auf Grund eines nachträglich eingereichten Freistellungsantrags nach § 50 g EStG wurde die geleistete Nachzahlung der ESt. vom Finanzamt an die Mandantin zurück erstattet. Der Steuerberater riet nicht zur Erhebung einen Widerspruchs gegen die Verfallsanordnung und gegen den Bescheid über einen Verspätungszuschlag ab, so dass diesre Bescheid in Rechtskraft erwuchs.

Auf den Betrag des von der Mandantin an das Finanzamt geleistetene Abschöpfungbetrag und geleisteten Verspätungszuschlags in Höhe von ca. € 15.000,00 nahm die Mandantin die Steuerberatungsgesellschaft wegen Schlechterfüllung des bestehenden Mandats in Regress.

Das Landgericht hat die Rechtsverteidigung der Steuerberatungsgesellschaft, sie sei nicht mit der Fertigung einer ESt.-Anmeldung nach § 50 a EStG oder eines Freistellungsauftrags nach § 50 g EStG mandatiert gewesen, als unbeachtlich gesehen. Ein Steuerberater, so führte die Kammer aus, hätte bei Lizenzzahlungen an ein ausländisches Unternehem, das für ihn erkennbar mit der mandantin verbunden war und die er ordnungsgemäß verbucht hatte, erkennen können und müssen, dass eine ESt.-Anmeldung nach § 50 a EStG erforderlich war. Er hätte anhand der gefertigten jährlichen “Annual Reports”  auch erkennen können und müssen, dass es sich um Zahlungen innerhalb verbundener Unternehmen innerhalb der EU handelte, für die § 50 g EStG eine Freistellungsmöglichkeit vorsieht. Hierauf hätte er die Mandantin, wenn das Mandant schon nicht umfassend erteilt gewesen sein sollte, hinweisen und auf eine Mandatsausweitung zur Fertigung der entsprechenden Erklärungen nach § 50 a EStG bzw. § 50 g EStG drängen müssen. Jedenfalls aber hätte er Widerspruch gegen die Verfallsanordnung und gegen den Bescheid über einen Verspätungszuschlag erheben müssen, weil ihm erkennbar war oder gewesen sein musste, dass durch die Rückerstattung der Einkommenssteuerzahlung durch das Finanzamts auf Grund des nachträglich gefertigten Freistellungsantrags nach § 50 g EStG keine Raum mehr für eine Verfallsanordnung oder einen Verspätungszuschlag war.

Das Urteil kann über den nachstehenden Link heruntergeladen werden.

Urteil LG Limburg 29.11.13

 

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Schmerzensgeld nach einem Foulspiel beim Fussball

In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Rechtsstreit geht es um die Haftung eines Spielers, der seinen Gegenspieler im Spiel schwer verletzt. Hierzu ist die Grenze zwischen sportlicher Härte und groben Foulspiel beim Fußball zu ermitteln, wann also eine eingetretene Verletzung noch als “Sportunfall” oder bereits als Körperverletzung zu bewerten ist. Im konkreten Fall standen sich an einem Sonntag zwei SOMA, Altherrenmannschaften, auf dem Platz gegenüber. Ein Spiel, in dem es um nichts weiteres ging, als um den Spaß am Spiel. Der rechte Verteidiger der Gastmannschaft nahm zwischen dem eigenen 16-Meter-Raum und der Mittellinie einen Abwurf seinen Torwarts auf und führte den Ball am rechten Fuß. Ein Angreifer der Gegenmannschaft grätschte, aus Sicht des Verteidigers von links hinten kommend, in ihn hinein. Ob er dabei den Ball spielte oder der Ball zuvor schon abgespielte worden war, ist streitig. Im Ergebnis kam es darauf aber nicht entscheidend an. Der Stürmer grätschte so in den Verteiger hinein, dass diesem trotz eines getragenen Schienbeinschoners das Schien- und Wadenbein seines Standbeins durchgetreten wurde, mit der Folge eines offenen Bruchs und Knochabsplitterungen.

Die Problematik dieses Rechtsstreits besteht in der Abgrenzung zwischen sportlicher Härte und groben Foulspiel. Nach der Rechtsprechung des BGH nimmt der Teilnehmer an einem sportlichen Kampfspiel grundsätzlich Verletzungen in Kauf, die auch bei regelgerechtem Spiel nicht zu vermeiden sind. Aus rechtlicher Sicht ist die Frage, ob der Ball vom Beklagten gespielt wurde, nicht allein entscheidend. Maßgeblich ist, ob es sich hierbei noch um einen fairen Zweikampf gehandelt hat. Hier kommt dem Regelwerk des DFB, das auch auf die Spiele einer SOMA Anwendung findet, Bedeutung bei, insbesondere der Auslegung der Spielregeln und der Richtlinien für Schiedsrichter. Als Zweikampf gilt danach der Kampf um Raum in Ballnähe mit Körperkontakt, jedoch ohne den Einsatz von Armen und Ellbogen. Im Zweikampf als unzulässig und als Vergehen zu ahnden sind Fahrlässigkeit, Rücksichtslosigkeit und übermäßige Härte. Fahrlässigkeit i.S.d. Regelauslegung liegt vor, wenn ein Spieler unachtsam, unbesonnen oder unvorsichtig in einen Zweikampf geht. Rücksichtslosigkeit i.S.d. Regelauslegung liegt vor, wenn ein Spieler ohne jede Rücksicht auf die Gefahr und die Folgen seines Einsteigens für seinen Gegner vorgeht. Übermäßige Härte i.S.d. Regelauslegung liegt vor, wenn ein Spieler übertrieben hart in einen Zweikampf geht und die Verletzung des Gegners in Kauf nimmt.

Das Landgericht Hanau hat nach umfangreicher Beweisaufnahme ein Grundurteil erlassen und die Haftung des Angreifers festgestellt. Dem Kläger wurde damit ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zugesprochen. Über die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes wird das Landgericht Hanau entscheiden, sobald sein Grundurteil, mit dem die Haftung des Schädigers festgestellt wurde, in Rechtskraft erwachsen ist. Das vollständige Urteil kann über den nachstehenden Link heruntergeladen werden.

LG Hanau Sportunfall beim Fußball

Das Urteil wurde mit der Berufung zum OLG Frankfurt am Main angefochten. Der zuständige 4. Zivilsenat des OLG Frankfurt hat der Berufung keine Aussicht auf Erfolg beigemessen und mit Beschluss vom 29.01.13 auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen. In seinem Beschluss vom 29.01.13 ist der Senat mit deutlichen Worten den Versuchen der Berufung, das Geschehene als “Sportunfall” darzustellen, entgegengetreten. Der Beschluss mit seiner beachtlichen Begründung kann über den nachstehenden Link heruntergeladen werden.

 OLG Frankfurt “Blutgrätsche”

Auch der weitere schriftsätzliche Vortrag des Beklagten vermochte den Senat nicht zu überzeugen. Mit Beschluss vom 12.02.13 wies der Senat die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurück. Dabei fand der Senat noch deutlichere Worte zum Haftungsgrund, als bereits zuvor im Hinweisbeschluss vom 29.01.13 geäußert. Der Beschluss kann über den nachstehenden Link heruntergeladen werden.

OLG Frankfurt Zurückweisungsbeschluss

Einen vergleichbaren Fall hatte bereits das LG Dortmund zugunsten eines Geschädigten entschieden, der nach einem Foulspiel eine schwere Knieverletzung davon trug. Der Gegenspieler wurde zu einer Schadensersatzzahlung  in Höhe von € 50.000,00 verurteilt. Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die Rechtsauffassung des LG Dortmund mit Urteil vom 22.10.2012 (I-6 U 241/11) bestätigt. Das LG Hanau hat dem Geschädigten mit Urteil vom 11.12.2013 ein Schmerzensgeld von € 100.000,00 und weiteren Schadensersatz für getätigte Aufwendungen zugesprochen, ferner einen Feststellungsantrag auf Haftung für künftige, aus dem Ereignis resultierende Schäden positiv beschieden. Damit wurde eine der höchsten Schmerzensgeldzahlungen der letzten Jahre in vergleichbaren Fällen ausgeurteilt. Das Urteil kann über den nachstehenden Link heruntergeladen werden.

Urteil LG Hanau 11.12.13