Wer zum Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen diesen hat, ist Insolvenzgläubiger. Als solcher kann er Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden. Regelmäßig werden die Gläubiger, soweit sie sich aus den Buchhaltungsunterlagen des Schuldners entnehmen lassen, nach Insolvenzeröffnung von dem gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter angeschrieben und unter Beifügung eines Anmeldeformulars ausgefordert, binnen einer bestimmten Frist ihre Forderungen schriftlich anzumelden. Der Insolvenzverwalter fordert aber nicht nur zur Anmeldung bestehender Forderungen auf. Er kann mitunter auch geleistete Zahlungen des Schuldners vom Gläubiger im Wege der Insolvenzanfechtung zurückverlangen.
Ablauf des Insolvenzverfahrens
Das Insolvenzverfahren wird bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz oder im Falle einer juristischen Person seinen Sitz hat, geführt. Es wird nur auf Antrag eingeleitet. Antragsberechtigt sind der Schuldner, aber auch der Gläubiger. Gründe für die Beantragung eines Insolvenzverfahrens sind die Zahlungsunfähigkeit oder die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, bei einer juristischen Person auch die Überschuldung.
Nach Antragsstellung trifft das Amtsgericht häufig zunächst Sicherungsmaßnahmen und bestellt einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Dessen Aufgabe besteht in der Sicherung des Vermögens und in der Prüfung, ob hinreichend Masse vorhanden ist, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Ist dies nicht der Fall, wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen.
Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, geht den Gläubigern der Eröffnungsbeschluss zu. Darin werden sie ua. aufgefordert, binnen einer gesetzten Anmeldefrist ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden. Eine verspätete Forderungsanmeldungen ist möglich, wegen der erforderlichen zusätzlichen Prüfung jedoch mit Kosten verbunden.
Die Forderungsanmeldung ist auf einem Formularblatt vorzunehmen. Die entsprechenden Belege ( Bestellungen, Lieferscheine, Rechnungen ) sind beizufügen. Sofern bereits ein Vollstreckungstitel gegen den Schuldner besteht, ist dieser ebenfalls dem Insolvenzverwalter vorzulegen. Zinsen können stets nur bis zum Tag der Insolvenzeröffnung angemeldet werden.
Bestehen Sicherungsrechte ( Pfand, Eigentumsvorbehalt ), kommt eine Aus- oder und Absonderung in Betracht. Sind die Gegenstände noch vorhanden, kann der Gläubiger diese herausverlangen.
Die angemeldeten Insolvenzforderungen werden in einem Prüfungstermin beim zuständigen Amtsgericht geprüft. Dabei kommen folgende Ergebnisse in Betracht:
Die angemeldete Forderung wird festgestellt. Die Feststellung zur Tabelle bedeutet das Anerkenntnis der Forderung dem Grunde und der Höhe nach. Bei Abschluss des Verfahrens nimmt die gesamte Forderung mit der ermittelten Quote an der Verteilung teil.
Die angemeldete Forderung wird bestritten. Das Bestreiten der Forderung bedeutet, dass der Insolvenzverwalter die angemeldete Forderung als nicht bestehend erachtet. Hier ist dem Gläubiger anzuraten, dem Insolvenzberater Nachweise für den Bestand der Forderung vorzulegen und ihn zur Anerkennung der Forderung zur Tabelle bewegen. Hilft das nicht, bleibt nur noch der Klageweg. Dann muss auf Feststellung der Forderung zur Insolvenzteabelle geklagt werden, wenn man nicht vollständig mit seiner Forderung ausfallen möchte.
Die angemeldete Forderung wird vorläufig bestritten. Das vorläufige Bestreiten der Forderung bedeutet, dass der Insolvenzverwalter die angemeldete Forderung noch nicht abschließend prüfen konnte. Auch hier ist dem Gläubiger anzuraten, dem Insolvenzverwalter Nachweise für den Bestand der Forderung vorzulegen und ihn zur Anerkennung der Forderung zur Tabelle zu bewegen. Nach Abschluss der Prüfung wird die Forderung dann entweder nachträglich zur Tabelle festgestellt oder aber endgültig bestritten. Im Falle des Bestreitens muss denn ebenfalls auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle geklagt werden, wenn man nicht vollständig mit seiner Forderung ausfallen möchte.
Die angemeldete Forderung wird anerkannt für den Ausfall. Dieser Sonderfall betrifft Gläubiger, die sich in ihrer Forderungsanmeldung auf Sicherungsrechte berufen und ab- oder ausgesonderte Befriedigung unter gleichzeitiger Anmeldung des Ausfalls beansprucht haben. Anerkannt für den Ausfall bedeutet, dass zunächst die Verwertung der Sicherheiten, auf die sich der Gläubiger beruft, zu erfolgen hat. Ist der Verwertungserlös der Sicherheit höher als die Forderung dieses Insolvenzgläubigers, so erhält er volle Befriedigung seiner Forderung. Der Rest der Sicherheit fließt der Insolvenzmasse zu. Ist der Verwertungserlös der Sicherheit hingegen geringer , nimmt dieser Insolvenzgläubiger mit dem verbleibenden Forderungsbetrag ( dem sog. Ausfall ) an der Auszahlung der Quote teil. Ein Absonderungsgläubiger ist beispielsweise ein Lieferant, der eine Ware unter verlängertem Eigentumsvorbehalt verkauft, oder eine Bank, die den Kredit, den sie dem Schuldner gewährt hat, durch eine Hypothek oder eine Grundschuld sicherte. Nur mit diesem Differenzbetrag ist der Gläubiger im Rahmen der Verwertung seiner Sicherheiten „ausgefallen”. Für den Ausfall anerkannte Forderungen gelten im Schlusstermin als bestritten.
Insolvenzanfechtung
Im Rahmen eines Insolvenzverfahren kann der Gläubiger mit seinen Forderungen nicht nur ganz oder teilweise leer ausgehen, sondern muss mitunter von seinem Schuldner erhaltene Leistungen wieder zur Masse erstatten. Dies wird in den §§ 129ff InsO geregelt.
Hauptanfechtungsgrund sind die kongruente Deckung i.S.d. § 130 InsO und die inkongruente Deckung i.S.d. § 131 InsO. Verkürzt dargestellt bedeutet die kongruente Deckung, dass dem Gläubiger innerhalb einer in § 130 InsO geregelten Frist eine ihm zwar zustehende Leistung vom Schuldner gewährt wurde, er jedoch von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder dem Insolvenzeröffnungsantrag wusste, während ihm bei der inkongruente Deckung Leistung des Schuldner gewährt wurden, die er nicht, nicht in dieser Art oder nicht zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Daher sind die Voraussetzungen des § 131 InsO gegenüber dem § 130 InsO geringer, die darin geregelten Fristen gestaffelt.
Weitere Anfechtungsgründe ergeben sich aus den §§ 132 und 133 InsO, wobei es hier zu einem Zusammenwirken zwischen Insolvenzschuldner und seinem Gläubiger dergestalt kommen muss, dass der Insolvenzschuldner in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit ein Rechtsgeschäft mit dem Gläubiger tätigt und der Andere Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte ( § 132 InsO ) bzw. der Insolvenzschuldner mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, handelte und der Andere zur Zeit der Handlung diesen Vorsatz kannte ( § 133 InsO ). In diesem Fall können Rechtshandlungen sogar noch aus den vergangenen 10 Jahren angefochten werden.
ACHTUNG: Gerade die Vorschrift des § 133 InsO ist brandgefährlich. Es kann für eine Anfechtung nach § 133 InsO schon ausreichen, wenn man sich mit dem Schuldner auf eine Ratenzahlung einigt. Die Kenntnis des Gläubigers von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wird nach der Beweislastregel des § 133 InsO zu Lasten des Gläubigers vermutet, wenn dieser von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und davon, dass diese Handlung die Gläubiger benachteiligen könnte,wusste. Wer sich also auf eine Ratenzahlung mit einem Schuldner einlässt, muss damit rechnen, im Falle der Insolvenz des Schuldners vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung der erhaltenen Raten in Anspruch genommen zu werden. Mit dieser Vorschrift wird die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vermutet !! Der Gläubiger hat seine Unkenntnis zu beweisen, was bei einer Ratenzahlungsvereinbarung fast nicht denkbar ist.
Für die in den genannten Vorschriften genannten Fristen ist stets der Zeitpunkt des Insolvenzantrags maßgeblich.
Verbraucherinsolvenzverfahren
Ein Sonderfall der Insolvenz stellt die sog. Privatinsolvenz nach § 304 InsO dar. Dieses Insolvenzverfahren soll einer überschuldeten Privatperson die Möglichkeit eröffnen, von ihren Schulden weg und hin zu einem Leben ohne Schulden zu gelangen. Diese Möglichkeit der Entschuldung gilt allerdings nur für Forderungen, deren Ursprung nicht in einer deliktischen Handlung liegen. Wer also z.B. Schadensersatz aus einer unerlaubten Handlung ( z.B. einer vorsätzlichen Sachbeschädigung, einer Körperverletzung, einer Unterschlagung oder eines Betrugs ) schuldet, wird sich dieses Anspruchs nicht durch ein Verbraucherinsolvenzverfahren entledigen können.
Grundsätzlich unterstehen alle anderen Forderungen, die vor Antragsstellung entstanden sind, den Regeln des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Forderungen, die nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens entstanden sind, fallen hingegen nicht darunter, sondern können somit weiterhin auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden.
Eine Besonderheit besteht bei Mietverhältnissen, insbesondere bei Wohnraummietverhältnissen. Ist der Schuldner Mieter und zahlt er seine Miete nicht mehr, ist für den Vermieter Vorsicht geboten. Eine etwaige fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs kann wegen § 112 InsO unwirksam sein, wenn der Zahlungsverzug zwar vor Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens entstanden war, die Kündigung aber erst danach dem Mieter zugeht. Eine auf diese Kündigung gestützte Räumungsklage wird keine Aussicht auf Erfolg haben, es sei denn, der Treuhänder ( so nennt man den Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahrens ) würde die Freigabe des Mietverhältnisses nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO erklären. Ratsam ist es in jedem Falle, erneut die Kündigung auszusprechen, wenn nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens wieder ein kündigungsrelevanter Zahlungsrückstand erwachsen ist.